Kognitive Gesichtsfeldrehabilitation mittels Strategien koordinierter Blickmotorik

Zangemeister WH, Poppensieker K, Hoekendorf H, Shaker Verlag, Aachen 1999

Textsprache des Originals: Deutsch

In diesem Beitrag wird die Rück-und Vor-schau   unserer Arbeit verknüpft. Dabei geht es um Blicksakkadenstrategien bei gesunden Menschen und hemianopischen Patienten, die sie mit den komplexen Sehmaschinen verbinden, die zum Sehen und „Lesen“ statischer und dynamischer Bilder erforderlich sind. Das visuelle System, insbesondere Blickbewegungen, lenken unser Verhalten in natürlichen Umgebungen. Viele Tiere, einschließlich der Menschen, haben eine nicht homogene Netzhaut entwickelt, um die Informationsübertragung zu optimieren und visuelle Szenen seriell durch sakkadische Augenbewegungen abzutasten. Solche Blickbewegungen führen eine schnelle Retina-Bewegung aus und entkoppeln externe und interne Referenzbilder. Vor kurzem wurde gezeigt, dass Wahrnehmungsentscheidungen in Welt- – d. h. Blick – statt in Retina-Koordinaten getroffen werden können.

Blicksakkaden, sehr schnelle Bewegungen, sind meistens synkinetisch koordinierte schnelle Augen- und häufig koordinierte Kopf-bewegungen. Dies bedeutet, dass ihre internen Latenzen im zentralen Nervensystem flexibel sein müssen, und zwar aufgrund von: i. Antizipation des Subjekts; ii. Zufälligkeit von inneren und Umweltreizen; iii. dynamischer Unterschiede und Einschränkungen des schnellen Auges im Vergleich zu den langsameren Kopfbewegungen.

Bei sakkadischen Blickbewegungen spielt die Antizipationsvorhersage eine wichtige Rolle. Es erlaubt uns, ein oder mehrere interessierende Ziele zu finden. Wir können mehrere Ziele innerhalb einer Region von Interesse, einer ROI, durch Verketten von Fixierungssequenzen verbinden, um ein Bild „anzusehen“ und zu verstehen. Diese Sequenzen werden Scanpfade – scanpaths genannt (Noton & Stark 1971).

Ihre räumlichen und zeitlichen Merkmale werden durch das top-down-Vorhersagewissen der Person oder eine bestimmte Szene / ein bestimmtes Bild definiert. Bottom-Up-Mechanismen sind mit diesem Prozess so miteinander verwoben, dass ein Bild die Reihenfolge der Fixierungen in gewissem Maße beeinflussen kann.

Im normalen Leben sind Bilder meist dynamische Szenen und keine statischen zwei- oder dreidimensionalen Bilder. Blickfixierungen, die bei dynamischen visuellen Eingaben auftreten, werden daher durch glatte Verfolgungsbewegungen und Blicksakkaden durchgeführt. Unter natürlichen Bedingungen wird die visuelle Empfindlichkeit während der Blicksakkaden verringert. Blickkoordination von Auge und Kopf, die sich zwischen totaler Vorhersage und reiner Zufälligkeit erstreckt, ist der wichtigste Faktor bei der Ausführung von Scanpfaden zur Eingabe von Bildern und dynamischen Szenen. Fixative Mikroaugenbewegungen, insbesondere Mikrosaccaden, tragen zur Wahrnehmung und zum genauen Verständnis der Fixierung statischer Bilder zusaetlich ganz wesentlich bei.