Kognitive neurovisuelle Rehabilitation und Fahrtüchtigkeit I

W. H. Zangemeister, A. Becker, H. Hökendorf . Neurol Rehabil 2002; 8 (4): 173-186, Abstract.

Textsprache des Originals: Deutsch

Im ersten Teil wird über eine quantitative Auswertung von Bildbetrachtungen bei 20 hemianopischen Patienten im Vergleich mit Normalprobanden berichtet. Dabei wurden abstrakte Bilder präsentiert und die Augenbewegungen bei der Bildbetrachtung festgehalten, bevor ein spezielles Trainingsprogramm durchlaufen wurde. Im Anschluß an dieses Trainingsprogramm wurden diese Bilder erneut präsentiert und die gesehenen Bilder mit den aufgezeichneten Augenbewegungen in geometrische a priori Regions of Interest (ROIs) und subjektive a posteriori ROIs eingeteilt und mittels Region-String-Editing (RSE), des Vector-String-Editing (VSE) sowie der Markov-Analyse (MA) quantitativ untersucht. Die Ergebnisse zeigen deutlich, daß trotz langer Latenz zwischen dem Zeitpunkt der Läsion und dem Beginn des speziellen Trainings ein guter Rehabilitationserfolg erzielt werden kann. Im zweiten Teil wird ein Überblick gegeben über die Ergebnisse des Trainings von neurologischen Patienten am Fahrsimulator der Neurologischen Klinik am REHA-Zentrum Soltau aus den vergangenen 10 Jahren. Dabei fällt auf, daß bei nicht wenigen Patienten diese bei deutlich unterdurchschnittlichen Labortestergebnissen, einschließlich der Tests am Übungs-Pkw, in der praktischen Fahrprobe unauffällig oder sogar gut bewertet wurden. Solange nicht Tests verfügbar sind, die hoch mit der Fahrprobe korrelieren und sich bei der Vorhersage der Fahrtauglichkeit bewährt haben, werfen solche Diskrepanzen Probleme bei der Bewertung der Fahrtauglichkeit auf. Es muß also die Frage beantwortet werden, ob die mit den Tests festgestellten Defizite überhaupt für das praktische Fahren relevant sind und inwieweit sie kompensiert werden können.
Der Rehabilitationserfolg in beiden Gruppen findet sein neuropsychologisch-neurophysiologisches Korrelat in einer »facilitated mobilisation of information«, einer Integration und Reorganisation extrastriatärer High-Level-Information. In der Summe der Ergebnisse ergibt sich eine starke Top-Down-Komponente bei der Bildbetrachtung nach dem Training, die eine maladaptierte Bottom-Up-Komponente vor dem Training ablöst. Es ist daher von besonderem Stellenwert, diese kognitiven Aspekte des menschlichen Sehens bei der Rehabilitation von hemianopischen Patienten durch ein spezielles Trainingsprogramm zu berücksichtigen.